Vertragsrecht
Sicher haben Sie auch schon diese äußerst langen englischen Verträge in der Hand gehabt und sich gefragt, warum für einen recht simplen Vertrag so viele Bäume gefällt werden: Vertragsrecht in Australien funktioniert fundamental anders als in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das liegt zunächst daran, dass es überhaupt kein BGB gibt. Das australische Vertragsrecht ist weiterestgehend nicht kodifiziert. In anderen Worten formiert sich das gesamte Vertragsrecht aus Entscheidungen von Gerichten, dem sogenanten Common Law.
In den Verträgen dokumentiert man nun all das, was in kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen bereits im Gesetz steht. Um die Verträge nicht immer neu erfinden zu müssen, werden wesentliche Vertragsinhalte oftmals in den Definitionen – oft ein Kapitel zu Beginn des Vertrages – oder in Schedules des Annex geregelt. Bei Prüfung eines Vertrages ist also besonderes Augenmerk auf diese beiden Teile eines Vertrages zu werfen.
Agreement oder Deed?
Manchmal ist ein Vertragsdokument als Agreement und manchmal als Deed bezeichnet. Dabei gelten jeweils andere Ausfertigungsregeln, also Regeln wie das Dokument unterzeichnet werden muss, damit es auch rechtswirksam ist. Eine Deed kann man entfernt mit einer Urkunde vergleichen. Eine Deed benötigt keine Gegenleistung, die sogenannte consideration: Entsprechend der Tradition des Common Law muss in Australien der Annehmende nämlich dem Anbietenden eine Gegenleistung (consideration) für sein Angebot anbieten, damit der Vertrag durchsetzbar ist. Die Gegenleistung kann in einem Recht, Anspruch, Profit oder Vorteil oder einem Unterlassen, einem Nachteil, einem Verlust oder der Eingehung einer Verbindlichkeit bestehen. Wichtig ist, dass dem Versprechenden für die Eingehung seines Versprechens ein angemessener Gegenwert gewährt wird.
Wiener Vertragsrechtskonvention
Handelt es sich um einen Warenvertrag so ist auch Australien Mitglied des Wiener UN-Übereinkommens über Verträge (United Nations Convention for the International Sale of Goods – CISG) über den internationalen Warenkauf aus dem Jahre 1980. Die Konvention gilt inzwischen nicht mehr als ausländisches Recht, sondern ist Bestandteil der nationalen australischen Rechtsordnung. Steht also im Vertrag „the laws of New South Wales apply”, so kann es gut sein, dass da Deutschland, Österreich und die Schweiz ebenso Unterzeichnerstaaten sind, die Regeln der Wiener Vertragsrechtskonvention für jeden Vertragsschluss über den internationalen Verkauf von Gütern automatisch Anwendung finden. Wer dies vermeiden will, muss die Konvention wie in Deutschland ausdrücklich ausschließen.
Aus Sicht des europäischen Exporteurs bietet das UN-Kaufrecht allerdings handfeste Vorteile. Beispielsweise lässt sich eine Wandlung, insbesondere bei kleineren Mängeln, schwieriger durchsetzen als unter nationalem Kaufrecht. Hier wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Wandlung im internationalen Handel häufig mit unverhältnismäßig hohen Transportkosten verbunden wäre. Außerdem kommt das internationale Kaufrecht dem deutschen Recht deutlich näher als dem australischen Recht. Wer also nicht auf eine Rechtswahl zu Gunsten des eigenen Rechts bestehen kann, sollte lieber zum UN-Kaufrecht greifen, als sich auf australisches Recht einzulassen. Wer die Konvention dennoch ausschließen möchte, sollte allerdings das Recht eines bestimmten Landes vertraglich festlegen.
Verbraucherschutz
Ein Teil des Vertragsrecht ist allerdings doch gesetztlich geregelt: Das australische Verbraucherschutzrecht ist seit 2011 im Competition and Consumer Act 2010 (Cth) (CCA) geregelt. Ein Teil dieses Gesetzeswerks ist das Australian Consumer Law (ACL), also das eigentliche Verbraucherschutzrecht, welches das Schedule 2 des CCA bildet. Hier geht es zum einen um Wettbewerbsrecht, aber auch auch um die Formulierung von Garantien einer Ware.
AGB oder Terms and Conditions
Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass Terms and Conditions in Australien eine noch wichtigere Bedeutung haben als in einem kontinentaleuropäischen Land. Da ein geschriebenes Vertragsrecht in Australien fehlt, werden die notwendigen Bestimmungen oft in den Terms and Conditions definiert. Es reicht dabei verständlicherweise nicht aus, die deutschen oder schweizerischen Geschäftsbedingungen einfach zu übersetzen.
Beachtet werden sollte außerdem, dass die Terms and Conditions nur dann wirksam in den Vertrag einbezogen werden, wenn sie der anderen Partei bekannt gegeben wurden. Dies ist der Fall, wenn die Bekanntgabe der Klausel gegenüber der anderen Partei tatsächlich stattgefunden hat oder wenn der Verwender der Klausel alles getan hat, um die Klausel dem anderen Vertragsteil bekannt zu geben.
Anders als beispielsweise im deutschen Recht ist es nicht möglich, die Geschäftsbedingungen nach Vertragsschluss und vor der Lieferung noch mit einzubeziehen. Es reicht deshalb nicht aus, wenn der Verkäufer die Bedingungen lediglich auf der Verkaufsbestätigung oder der Rechnung anbringt. Am sichersten fahren Unternehmen, die sich ihre Terms and Conditions vom Käufer unterschreiben lassen. In den T&Cs geht es natürlich auch viel um Zahlungsbedingungen, Einkaufsbedingungen und Lieferbedingungen.
Eigentumsvorbehalt
Deutsche Unternehmen mit Warenlieferungen oder anderen Exporten nach Australien müssen bei der Vertragsgestaltung vor allem beim Thema Eigentumsvorbehalt aufpassen. Wie bereits in einem anderen Artikel erläutert, gilt folgendes: Während in Deutschland eine einfache Vertragsklausel genügt, um den Eigentumsvorbehalt zu regeln, ist dies in Australien inzwischen unzureichend. Eine Klausel, dass eine Ware bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises im Eigentum des Verkäufers bleibt (Retention of Title Clause), ist in Australien in der Regel wirkungslos.
Wie in Neuseeland und Kanada wurde nämlich inzwischen auch in Australien ein öffentliches Pfandrechtsregister (Personal Property Securities Register (PPSR)) eingerichtet. Um das persönliche Eigentum (Personal Property) an einer Ware bis zur endgültigen Zahlung des Kaufpreises sichern zu können, muss sich der Verkäufer bzw. Pfandnehmer (secured party) gegenüber dem Käufer bzw. Pfandgeber (grantor) einen Rechtsanspruch an der Ware bzw. an dem Pfandobjekt sichern. Weiteres finden Sie im Artikel über den Eigentumsvorbehalt.